Freiheitsentziehende Maßnahmen – ein Thema welches viel diskutiert wird, aber keinen Spielraum zulässt!
Bürgerliches Gesetzbuch § 1906
Quarantäne – den Bewohner ins Zimmer zu sperren oder ein Ausgangsverbot zu verhängen – aufgrund eines Verdachtes ist demnach, ohne seine Zustimmung, nicht möglich! Denn es beruht auf einer Vermutung, keiner faktischen Grundlage.
Es ist mir eine Herzensangelegenheit als Pflegefachperson die juristische Situation unter die Lupe zu nehmen.
Freiheit ist neben der Gesundheit das höchste Gut eines Menschen, wir als Pflegefachpersonen müssen dies mit aller Macht schützen.
Wir müssen die Menschen vor Isolation, Vereinsamung und Machtmissbrauch schützen.
Nur weil jemand in einer Senioreneinrichtung lebt heißt das nicht, dass er seine Eigenverantwortlichkeit an der Eingangstüre bei dem Einzug abgegeben hat und wir deshalb über seinen Kopf hinweg entscheiden dürfen.
Dieses Thema greife ich aus gegebenem Anlass auf, da ich immer wieder Kommentare/Posts lese, welche sich für die Isolation von Menschen bei einem NCOV-19 Verdachtsfall aussprechen.
Mir ist bewusst, dass sich die Behörden (ausführender Arm der Politik) weg geduckt haben – sie haben Einrichtungen im Stich gelassen und keine nötigen Rahmenbedingungen geschaffen – dies ist meines Erachtens nach ein Totalversagen und für mich unentschuldbar.
Ethische Grundsätze wurden komplett vernachlässigt.
Aber jetzt muss es besser gemacht werden!
Wer aber darf nun über freiheitsentziehende Maßnahmen entscheiden?
Weder Einrichtungsleitung, Heimaufsicht noch MDK, sowie Pflegefachpersonen haben darauf Einfluss und dürfen solche einschneidenden Maßnahmen entscheiden – denn diese beschneiden die Freiheit eines Menschen so maßgeblich, dass diese genehmigungsbedürftig sein müssen. Nur ein Richter entscheidet über die Freiheitsentziehung!
Laut Grundgesetz sei die Freiheit der Person „unverletzlich“.
Fehlende Einsichtsfähigkeit lasse diesen Schutz nicht entfallen.
Auch aus sozialer Fürsorgepflicht vorgenommene Fixierungen und ähnliches gegen den Willen des Betroffenen bleiben grundsätzlich immer Straftaten.
Soziale Betreuung und Pflege darf nicht dazu dienen, Grundrechte deshalb zu beschränken, um den Bürgern „eine Besserung von oben“ zukommen zu lassen
Was fällt alles unter freiheitsentziehende Maßnahmen?
- Einsperren des Betroffenen in sein Zimmer
- Bettgitter
- Bauchgurt
- Dauerhafte Anbringung eines Vorstecktisches
- Sedierende Medikamente (soweit nicht nur Nebenwirkung oder der Heilbehandlung dient) wenn sie gegeben werden, um den Betroffenen am Verlassen der Einrichtung zu hindern
- 3- bzw. 5-Punkt-Fixierungen
- Entfernen des Notrufknopfes
- Wegnahme von Bekleidung und Schuhen bzw. Bekleidung mit „Pflegehemden“
- Wegnahme von Sehhilfen, Rollstuhl, Gehilfen, Hörgeräten und ähnlichem (nicht um freiheitsentziehende Maßnahmen handelt es sich demnach, bei therapeutischen Maßnahmen, die eine Ortsveränderung nicht verhindern, wie etwa Hüftprotektoren)
- Ausübung physischen und/oder psychischen Drucks durch das Personal, wie Verbote, List, Zwang oder Drohung
- Ausstattung von Betroffenen mit Signalsendern
- Feststellen von Rollstuhlbremsen
- Dauerhafte Anbringung eines Vorstecktisches am Rollstuhl (bedarf z.B. keiner Genehmigung, wenn er lediglich zur Erleichterung der selbständigen Nahrungsaufnahme, körpernahes Aufstellen von Teller und Besteck, eingesetzt wird)
- Komplizierte Schließmechanismen an Türen und anderen Vorrichtungen zum Verhindern des Öffnens der Tür durch den Betroffenen.
- Das regelmäßige Verschließen der Eingangstür während der Nachtstunden kann eine unterbringungsähnliche Maßnahme darstellen, wenn der Betroffene weder einen Schlüssel erhält noch ein Pförtner das jederzeitige Verlassen der Einrichtung ermöglicht.
Um einen Menschen seiner Bewegungsfreiheit zu berauben, ist es daher weder ausreichend, dass lediglich eine Sturzgefahr besteht, noch kann eine unterbringungsähnliche Maßnahme mit einer bloßen Vermutung einer künftigen Verletzung gerechtfertigt werden.
Quarantäne – den Bewohner ins Zimmer zu sperren – aufgrund eines Verdachtes ist demnach, ohne seine Zustimmung, nicht möglich!
Freiheitsentziehende Maßnahmen liegen vor, wenn eine Person gegen ihren natürlichen Willen durch mechanische Vorrichtungen oder auf andere Weise in ihrer Fortbewegungsfreiheit beeinträchtigt wird und er diese Beeinträchtigung nicht ohne fremde Hilfe überwinden kann.
Die Freiheitsentziehung durch die oben aufgezählten Mittel muss über einen längeren Zeitraum oder regelmäßig erfolgen. Regelmäßigkeit liegt vor, wenn eine freiheitsentziehende Maßnahme entweder stets zur selben Zeit, z. B. nachts, oder aus wiederkehrendem Anlass (z. B. Gefahr, aus dem Bett zu fallen) erfolgt.
Gerne möchte ich euch hier die Sicht eines Betroffenen Ehemannes, dessen Frau in einer Senioreneinrichtung untergebracht ist, zeigen.
Da war der große Schlüssel und dann war das Heim zu […] ja das Heim war zu und da ging nichts rein da ging nichts raus – ich muss Ihnen ehrlich sagen ich habe alles abgeschrieben.
Betroffener
Denn es ist ja so von meiner Sicht aus gesehen, was sollte ich – wir sind alte Menschen und die haben immer geschrieben immer die Altern, die Alten, die Alten, die Alten hat es erwischt – aber wir gehören doch dazu.
Es haben sich auch drei Pflegefachpersonen zu der Situation geäußert.
Deine Meinung und deine Erfahrungen interessieren mich – einfach hier als Kommentar drunter setzen oder gerne auch anonym eine E-Mail an mich schicken.